Zahlen stellen eine faktische Entscheidungsgrundlage dar – das ist auch beim Bundesverkehrswegeplan (BVWP) der Fall, bei dessen aktueller Version aus dem Jahr 2016 die Datengrundlage aus dem Jahr 2010 stammt. Auf dieser Basis wurde vom Bundestag eine 20-jährige Prognose u.a. für auszubauende Güterverkehrsstrecken 2030 verabschiedet. Seit 2010 bzw. 2016 hat sich allerdings einiges getan in Sachen Güterverkehr, Stichwort Verkehrswende: Italien treibt den Bau des Brennerbasistunnels voran, Tirol will den LKW-Transit reduzieren und in Oberbayern und München geht es um den Aus- bzw. Neubau von Güterverkehrsstrecken als Kapazitätserweiterung für die Verkehrswende und insbesondere den Brennernordzulauf. Zwischenzeitlich werden Bürgerstimmen immer lauter, dass der BVWP auf veralteten und folglich zu niedrigen Zugzahlen fußt. Damit befürchten die Bürger einen unzureichenden Lärmschutz, denn die Planungen und Berechnungen beruhen zentral auf der prognostizierten Anzahl verkehrender Güterzüge auf der jeweiligen Strecke.
Erste Hinweise auf deutlich höhere Güterverkehrszahlen für den Brennerkorridor lieferte bereits Ende 2018 die vom Bundesverkehrsministerium beauftragte TRIMODE-Studie, deren Zahlen bislang nicht im planungsrelevanten BVWP berücksichtigt sind. In 2022 bekommt die Forderung nach einer Planung mit aktualisierten Zahlen zusätzlichen Rückenwind durch eine Brenner Korridor Studie der Brenner Corridor Platform (BCP = verschiedene Arbeitsgruppen zur Ausarbeitung ganzheitlicher Lösungsansätze für den Brenner Korridor (Vorsitz: Pat Cox – europäischer Koordinator Skandinavien-Mittelmeer-Korridor – www.bcplatform.eu), vom Oktober 2021.
Demnach liegen laut der BCP-Studie die Güterzugzahlen auf der Strecke Rosenheim – München für das Jahr 2040 fulminante 42% über den Planzahlen, mit denen aktuell Grob- und Feinvariantenplanungen für den 4-gleisigen Ausbau im Bereich Zamdorf bis Johanneskirchen gemacht werden. „Diese Zugzahlen bestätigen unsere Befürchtungen und sind katastrophal für unseren Streckenabschnitt. Es bedeutet, dass mit dem zusätzlich geplanten Verkehr vom Südring und dem Containerterminal Riem alle 4 Minuten ein Güterzug mit ca. 700 m Länge und 120 km/h über die Strecke donnern wird – und zwar Tag und Nacht, an 365 Tagen im Jahr. Mit anderen Worten: Dauerlärm rund um die Uhr mit regelmäßigen Lärmspitzen eines Presslufthammers und das in einem dichtbesiedelten Gebiet. Das ist unzumutbar!“ sagt Petra Cockrell, 2. Vorsitzende der Bürgerinitiative „Bahntunnel Zamdorf – Johanneskirchen“ (BI).
„Wir unterstützen als BI die Verkehrswende als zentrale Maßnahme für den Klimaschutz. Aber wer „A“ wie Ausbau sagt muss auch „B“ wie Bahntunnel sagen und das Geld in die Hand nehmen für die Untertunnelung dann hochbelasteter Güterverkehrsstrecken, die mitten durch dichtbesiedelte Wohngebiete führen werden. Hier sind die politischen Vertreter auf sämtlichen Ebenen gefordert eine Entscheidung im Sinne der Bürger herbeizuführen, denn Sommer mit bis zu 40 Grad bei geschlossenen Schallschutzfenstern sind den Bürgern genauso wenig zuzumuten, wie durch den Dauerlärm entwertete Erholungsräume im Freien wie Balkone, Terrassen und Grünflächen. Daran ändern auch die bislang vorgesehenen, lediglich lärmmindernden Lärm“schutz“wände wenig, mit denen die Bürger abgespeist werden sollen. Eine Führung der gesamten Strecke von Zamdorf bis Johanneskirchen im Tunnel, mit einem weiter nördlich zu planenden Tunnelende zum Schutz der Hochhäuser in Johanneskirchen ist deshalb zwingend erforderlich.“
Mit Blick auf die weiteren Streckenabschnitte des Brennernordzulaufs wundert sich die 2. BI-Vorsitzende: „Österreich führt bereits weite Teile des Brennernordzulaufs in freier Landschaft im Tunnel. Für Rosenheim sind über 30 km Tunnel vom Verkehrsminister angekündigt worden, wiederum mit vielen Tunnelkilometern für den Landschaftsschutz. Es ist uns nicht erklärlich, wie unter diesen Umständen eine Untertunnelung von gerade einmal 4 km mitten durch ein Wohngebiet, das von der gleichen Güterverkehrsstrecke betroffen ist überhaupt noch diskutiert wird: Die Untertunnelung dieser Strecke muss ein Selbstläufer sein!“ An die politischen Entscheidungsträger gerichtet sagt Petra Cockrell: „Als Bürger haben wir einen Anspruch darauf, dass die gewählten Mandatsträger nachvollziehbar die Bürgerbelange berücksichtigen und dafür auch gleiche Maßstäbe angelegt werden. Dazu zählen außerdem auch die Kosten je Tunnelkilometer, die in München astronomische Größenordnungen haben sollen und in Rosenheim anscheinend zum Schnäppchenpreis zu bekommen sind. Grundsätzlich geht es hier um nachvollziehbare, transparente Entscheidungen für kommende Jahrzehnte und damit für Generationen, bei denen nicht nur wirtschaftliche und betriebsrelevante Bahnbelange priorisiert werden.
Und eines ist sicher: es kann mittlerweile keiner mehr sagen – weder in München noch in Berlin – dass das Problem ‚Unzumutbarer Bahnlärm Knoten München/Brennernordzulauf‘ nicht bekannt ist.“
Verfasserin: Petra Cockrell